Mittwoch, September 16, 2020

Kunst-Kultur 4 – Artă-cultură 4

 






Kunst-Kultur 4 – Artă-cultură 4

Kunst und Kultur im Visier der politischen Polizei - Arta şi cultura în vizorul poliţiei politice

Aus dem Inhalt dieser Seite – Din cuprinsul acestei pagini



I.



1970/1971: Ingmar Brantsch (1940-2013) wird in der Siebenbürgischen Zeitung kritisiert, der Artikel wird der Securitate in rumänischer Übersetzung überreicht / Ingmar Brantsch (1940-2013) este criticat într-un articol din ziarul repatriaţilor saşi din RFG, iar textul a fost tradus pentru Securitate în limba română

1971: Mitteilung / Bericht - Adresă / notă-raport

1986: Bericht der Hauptabteilung 1 der Securitate in dem die Aufnahme rumäniendeutscher Autoren in den VS erwähnt wird / Notă a Direcţiei 1 a Securităţii în care se aminteşte de primirea în Uniunea Scriitorilor din R.F.G. a unor autori germani din România 

1986: Ingmar Brantsch, Unredlich und undankbar, in: feder, 4/86, S. 16

2009: Ingmar Brantsch: Ich war kein Dissident. Autobiographie (Nu am fost disident. Autobiografie), Ludwigsburg, Pop-Verlag 2009, 254 Seiten 




1988: Replik von Richard Wagner auf Angriffe von Ingmar Brantsch während einer Diskussion in Marburg anlässlich der Tagung zur rumäniendeutschen Literatur im Herbst 1989 / Replica lui Richard Wagner după atacurile lui Ingmar Brantsch în cursul unei discuţii desfăşurată la Marburg cu prilejul unui simpozion dedicat, în toamna anului 1989, literaturii germane din România


2014 (1968): Dieter Schlesak (1934-2019) zu „Barbu Elena“ / Dieter Schlesak (1934-2019) despre „Barbu Elena“


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I. 


[30. November 1970. In der Siebenbürgischen Zeitung erscheint ein langer, nicht unterzeichneter Artikel, „Die fragwürdige Kunst, Tatsachen zu korrigieren”, in dem der anonyme Verfasser auf einen Streit zwischen einem Angestellten des Aufnahmelagers Unna Massen und Ingmar Brantsch, der nach einer Reise in die Bundesrepublik sich geweigert hatte, nach Rumänien zurückzukehren, hinweist. In dem Artikel werden einige Aussagen von Brantsch zitiert, die in der westdeutschen Presse erschienen sind und die wir aus objektiven Gründen nicht überprüfen konnten. Allerdings kann auch nicht der Hinweis der SbZ überprüft werden, in dem es heißt, Brantsch habe vor seiner Ausreise in Rumänien, Leute mit politischen Aussagen eingeschüchtert und würde mit seinem Verhalten der deutsch-rumänischen Völkerverständigung einen schlechten Dienst erweisen: „Damit leistet er weder der Völkerverständigung einen Dienst, noch beherrscht er sein pseudo-marxistisches Brevier; er stellt nicht der Fortschrittlichkeit seiner rumänischen Landsleute, sondern sich selber mit Kategorisierungen dieser Art ein miserables Zeugnis aus. / Wäre noch hinzuzufügen: während Brantsch in Rumänien seine Arbeitskollegen durch eben jene pseudo-kommunistische Unerbittlichkeit sentimental so terrorisierte, daß sie bei seinem Auftreten ängstlich verstummten — was nota bene kein echter Marxist tut —, saß der von ihm apostrophierte Repser R. Lahni als politisch -Verurteilter in stalinistischen Gefängnissen — zwölf Jahre Zwangsarbeit... Brantsch ist als Marxist, als Rumänenfreund, als Kritiker seiner deutschen Landsleute — quod erat demonstrandum — gleichermaßen unglaubwürdig. Was bleibt also übrig? Ein Mann, der sich auch im Westen mit billigen, kurzatmigen Faxen interessant machen will. Wir halten es für unsere Aufgabe, diese Dinge beim Namen zu nennen.” Tatasache ist, dass die Securitate sich für den Zwischenfall interessiert hatte. Am 31. Januar 1971 überreichte ein inoffizieller Mitarbeiter der Securitate eine Übersetzung des Artikels.]

[30 noiembrie 1970. Ziarul Siebenbürgische Zeitung îl critică pe Ingmar Brantsch, reproşîndu-i un comportament dogmatic în România şi, totodată, că prin atitudinea sa ar compromite ideea relaţiilor armonioase, existente între români şi germani. Este greu de apreciat, în ce măsură reproşurile au fost reale. Cert este că Securitatea a primit, pe data de 31 ianuarie 1971, o traducere a textului.] 


SbZ, 20. Jg., Nr. 19, 30. November 1970, S. 1 und 2 (Ausschnitt - fragment)





ACNSAS, SIE 25427,  ff. 23-24


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[1. Oktober 1971. Mitteilung der Hauptabteilung III aus Bukarest an die Securitate in Kronstadt/Braşov]  

[1 octombrie 1971. Adresă a Direcţiei a III-a din Bucureşti către Inspectoratul Securităţii din Braşov]

ACNSAS, SIE 25427, f. 21


[12. Juni 1971. Auszug aus einem Bericht] 

[12 iunie 1971. Extras dintr-o notă-raport]

ACNSAS, SIE 25427, f. 50

Geschwärzt – anonimizat: Halbjahresschrift – hjs-online 

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[25. Juli 1986. Bericht der Hauptabteilung 1 der Securitate über den Stand der informativ-operativen Tätigkeit bezüglich der Schriftsteller und Filmemacher. Das Dokument enthält einen Absatz, in dem die Aufnahme rumäniendeutscher Autoren in den Verband deutscher Schriftsteller – VS – erwähnt wird. Fälschlicherweise wird in dem Bericht auch Franz Hodjak erwähnt, der damals nicht VS-Mitglied wurde.]

[25 iulie 1986. Notă privind stadiul muncii informativ-operative în rîndul oamenilor de artă şi cultură, profesionişti şi amatori, îndeosebi al scriitorilor şi cineaştilor. Notă a Ministerului de Interne, Departamentul Securităţii Statului, Direcţia 1. În notă este aminitit şi Franz Hodjak. Acesta nu a devenit atunci membru al Uniunii Scriitorilor din R.F. Germania - VS] 

ACNSAS, D 120, vol. 2, ff. 242-267, hier / aici ff. 247-248





1986: Ingmar Brantsch, Unredlich und undankbar, in: feder, 4/86, S. 16


Die Aufnahme der vier volksdeutschen Kollegen aus dem rumänischen Banat in den BRD VS wird begründet: „Diese vier Autoren dürfen in Rumänien kein Wort mehr veröffentlichen; ihre Namen dürfen nicht mehr erwähnt werden. Sie veröffentli-chen nun in der BRD und haben mithin einen Anspruch darauf, daß hier auch ihre Rechte als Autoren vertreten werden können.“
Unredlich und undankbar

Betr.: „Aufnahme in den VS: Johann Lippet, Herta Müller, William Totok und Richard Wagner“ – feder 4/86, S. 16

Dazu: Natürlich ist es bedauerlich, daß es zu dieser Entfremdung der vier volksdeutschen Schriftstellern und den Behörden ihrer rumänischen Heimat gekommen ist und eine Hilfe (dabei hätte vielleicht Vermittlung auch eine Hilfe sein können) seitens des VS sollte selbstverständlich sein. Der Satz aber „Sie veröffentlichen nun in der BRD...“ ist irreführend, da Lippet und Wagner schon 1976, also vor zehn Jahren, in der BRD Texte publizierten (Nachrichten aus Rumänien , Olms Presse Hildesheim New – York) und Herta Müller ihren Erzählband „Niederungen“, der zuerst in Rumänien erschienen war, ebenfalls schon 1974 [richtig 1984 - Anm. W.T.] im Rotbuch-Verlag West-Berlin herausbrachte und dafür dann vielfach ausgezeichnet wurde im Westen (Preis des ZDF, Rauriser Literaturpreis, Buch des Monats etc.), allerdings erst nachdem sie den Debütpreis des rumänischen VS erhalten hatte.
Als diese Autoren im Westen zu veröffentlichen begannen, waren sie keine Waisenkinder Rumäniens, sondern Lieblingskinder des rumänischen VS, der sie reichlich mit Preisen bedachte. Lippet und Wagner sind Preisträger des Kommunistischen Jugendverbandes Rumäniens [Lippet hat nie diesen Preis erhalten - Anm. W.T.], Wagner erhielt dazu auch noch 1980 den Lyrik-Preis des rumänischen VS (nachzulesen selbst im bundesdeutschen Kürschner 1984). Totok allein hatte es wesentlich schwieriger, von dem ist dafür auch am wenigsten die Rede.
Besonders befremdlich wirkte auch die den beiden Begründungen folgende Erklärungsklammer: „Als Material zu diesem Antrag wurde zusätzlich beschlossen: Der Bundesvorstand wird beauftragt, sich mit dem Bundeskanzleramt und dem Außenministerium in Verbindung zu setzen.“ Nicht aber mit dem rumänischen Schriftstellerverband, dessen Mitglieder meines Wissens sie noch immer sind, zumindest aber waren. [Nur Wagner war Mitglied - Anm. W.T.]  Reine Politik – nichts Literarisches mehr? Ist beim BRD VS der rumänische VS noch nicht einmal eine Anfrage wert? Schöne Solidarität der „Schreibenden“ hier bei uns!
Doch die einseitige Berichterstattung geht weiter. Auf der Mitgliederversammlung des VS NRW vom 19. April 1986 behandelte der Vorsitzende des VS NRW, Volker W. Degener, in seinem Bericht ebenfalls diese vier Fälle und erläuterte: „Rumäniendeutsche leiden besonders stark unter der Isolierung und Verfolgung.“ Eine glatte Verdrehung der Tatsachen. Die Rumäniendeutschen haben selbst heute noch, nach der „Massenauswanderung in die BRD“ seit 1979, die besten kulturellen Möglichkeiten von allen deutschen Volksgruppen auf der ganzen Welt (dafür sind sie dann aber auch mitunter besonders unverschämt und dreist): eigene Schulabteilungen mit deutscher Unterrichtssprache in allen Fächern, Kirchen, eine protestantische Hochschule in Hermannstadt, ein Staatstheater in Temeswar, zwei Tageszeitungen(Neuer Weg landesweit in Bukarest und Neue Banater Zeitung für das Banat in Temeswar), zwei Wochenzeitungen (Karpatenrundschau in Kronstadt und Die Woche in Hermannstadt), eine eigene Literaturzeitschrift, die monatlich erscheint, Neue Literatur in Bukarest und eine eigene wissenschaftliche Zeitschrift, die zweimal jährlich in Hermannstadt erscheint: Forschungen zur Volks- und Landeskunde. Dazu kommen deutsche Rundfunksendungen. Bis vor kurzem gab es auch ein deutsches Fernsehprogramm einmal die Woche und eine Zeitschrift für die Kulturhäuser, Volk und Kultur. 
Durch die Abwanderung gehen leider die Institutionen der deutschen Minderheit langsam aber sicher kaputt. Nicht weil die Rumänen deutschfeindlich wären, sondern weil es keine Leser, keine Kirchengänger, Schüler, Kindergartenbesucher etc. mehr aus den Reihen der deutschen Minderheit gibt. Die Rumänen waren ihren Deutschen immer freundlich gesonnen, hatten diese doch 1919 für den Anschluß Siebenbürgens und des Banats aus der österreichisch-ungarischen Monarchie-Konkursmasse an Rumänien gestimmt.
Jetzt so tun, als ob die Deutschen in Rumänien besonders verfolgt würden, ist einfach unredlich und auch undankbar  dazu, denn die Rumänen, großzügig und liebenswürdig wie sie als Vertreter der östlichen Romania nun mal sind, versuchen den Beitrag ihrer Deutschen zu erwähnen, ja zu würdigen. Es erscheint zur Zeit eine „Geschichte der Deutschen in Rumänien“ (seit dem 12. Jahrhundert) und eine Geschichte der deutschsprachigen Literatur Rumäniens (ebenfalls seit dem Mittelalter). In welchem anderen nichtdeutschsprachigem Land gibt es so etwas auch nur entfernt ähnliches? 
So bedauerlich die aktuellen Schwierigkeiten Rumäniens auch sein mögen, sie anhand der deutschen Minderheit auszurollen, erinnert fatal an die dummdreiste reichsgermanische Besserwisserei unseligen Angedenkens, als schon mal deutsche Volksgruppen mißbraucht wurden.
Schon auf der ordentlichen Mitgliederversammlung des VS NRW in Paderborn erwähnte ich den Fall des verfolgten Rumäniendeutschen, dem hier als Unterdrücktem Geld und ein Auto gespendet wurden. Der Verfolgte setzte sich ins Wiedergutmachungsauto und fuhr zurück nach Rumänien zur Entgegennahme des Kommunistischen Jugendverbandpreises für Lyrik und Ethik.
Natürlich kann man auch mit Geld und Preisen verfolgt werden, nur sollte man dann auch diese raffinierten Arten der Verfolgung uns mitteilen, man kann aber auch mit „kümmern um einen“ vom Leben zum Tod befördert werden. 
Hoffentlich verfolgen wir die Verfolgten nicht allzu sehr bei uns in der BRD mit unserem zum Teil noch immer reichsgermanischen Heinimentalität wie den armen Rolf Bossert, den wir, die BRD-Gesellen, auf dem Gewissen haben und nicht die Rumänen .
Eine dauernde bevorzugte Behandlung, wie sie vielen ehemaligen DDR-Autoren von Institutionen zu teil wird, ist auf die Dauer eine Benachteiligung, bringt sie doch diese Autoren um eigene „realistische“ Erfahrungen und nimmt ihnen die Möglichkeit der Opposition, indem sie penetrant zu Wohlwollenempfängern degradiert werden.
Ingmar Brantsch, Köln

  • Anm. Der Text von Brantsch wurde auch von Johann Lippet in seinem Band, Das Leben einer Akte. Chronologie einer Bespitzelung, Wunderhorn, Heidelberg 2009, S. 123-126, reproduziert und mit zahlreichen erklärenden Fußnoten versehen.

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1988: Replik von Richard Wagner auf Angriffe von Ingmar Brantsch (geb. 30. Oktober 1940 in Kronstadt - gest. 31. Oktober 2013 in Köln) während einer Diskussion in Marburg anlässlich der Tagung zur rumäniendeutschen Literatur im Herbst 1989 / 

1988. Replica lui Richard Wagner după atacurile lui Ingmar Brantsch (n. 30 octombrie 1940 la Brașov – m. 31 octombrie 2013 la Köln) în cursul unei discuţii, desfăşurată la Marburg cu prilejul unui simpozion dedicat, în toamna anului 1989, literaturii germane din România.


WAGNER: Ich finde das langsam unerträglich, was der uns leider seit langem bekannte Herr hier von sich gibt. Sie sind doch der Herr Ingmar Brantsch? Es ist mir wirklich unerträglich, weil Sie uns jetzt fast seit einem Jahrzehnt durch solche Unterstellungen und solche Verleumdungen verfolgen. Als wir in Rumänien noch gelebt haben und in Rumänien in einer sehr schlimmen Situation waren, da haben Sie Polemiken in irgendwelchen Blättern hier gegen uns geführt. Ich sehe, das hört nicht auf. Ich verstehe das überhaupt nicht mehr. Und ich will mit Ihnen auch überhaupt nicht diskutieren. Ich habe bloß eine Bitte, lassen Sie uns in Ruh. 





Wilhelm Solms, (Hg./ed.), Nachruf auf die rumäniendeutsche Literatur (Necrolog pentru literatura germană din România), Hitzeroth, Marburg, 1990, S. 225

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2014 (1968): Dieter Schlesak zu „Barbu Elena“ / Dieter Schlesak despre „Barbu Elena“


„Und noch etwas Verrücktes habe ich in den Akten entdeckt, dass nicht etwa mein Jugendfreund Ingmar Brantsch mich bespitzelt hat, sondern dessen Mutter.
Am 21.Mai 1968 wird „Barbu Elena“, die Mutter von Ingmar Brantsch aktiv und berichtet über ihn und über mich: Dass ihr Sohn Ingmar zur „Jungen Akademie“ nach Westdeutschland ausgereist sei und Gedichte rumänischer und rumäniendeutscher Autoren für eine Anthologie mitgenommen habe. Dass sie diese kopiert und dem Geheimdienst übergeben hat. Der Offizier berichtet, sie seien untersucht worden und hätten keinen „feindlichen“ Inhalt.
Und noch mehr an Briefen kopierte sie und wusste vieles über IB und DS zu berichten. Hat sie an der Tür unsere Gespräche belauscht?” 

(zit. aus: Dieter Schlesak, Meine Akten. Meine Spitzel, digitale Version, in der im Internet veröffentlichten, mehrmals geänderten Fassung eines Buchprojekts, vom 3. 4. 2012, S. 138 - http://schlesak.blogspot.com/2012/04/beendet-2.html)  







ACNSAS, I 257358, vol. 1, ff. 251-256 (Auszüge / fragmente)