Freitag, September 04, 2009

Diskreditierungsmaßnahmen der Securitate

Diskreditierungsmaßnahmen der Securitate


Missliebige Personen versuchte die Securitate systematisch zu diskreditieren. Mit derartigen Maßnahmen sollte eine Person gesellschaftlich geächtet und isoliert werden. Gezielte und wiederholte Diskreditierungen sollten einerseits zur Isolation innerhalb des Kreises von Kollegen, Freunden oder Bekannten führen, andererseits den gleichen Effekt innerhalb des sozialen Umfelds, am Arbeitsplatz oder in der breiten Öffentlichkeit hervorrufen.
Verleumdungen, Unterstellungen und Herabwürdigungen, die gezielt ausgestreut wurden, waren oft mit Zersetzungsmaßnahmen verbunden. Zur Verbreitung von Diffamierungen setzte der Geheimdienst häufig erprobte Mitarbeiter ein. Viele dieser Diskreditierungsmaßnahmen wurden innerhalb der Desinformationsabteilung („D“) ausgearbeitet, wobei sich die Geheimdienstspezialisten des Materials bedienten, das sie im Laufe der Zeit gesammelt hatten.
Dieses Material enthält oftmals eine Fülle von Banalitäten, die, vom nachrichtendienstlichen Standpunkt aus gesehen, auf den ersten Blick völlig belanglos erscheinen.
Beispielhaft für die geheimdienstliche „Sammlerwut“ von solchen Belanglosigkeiten sind die meisten der über 200 abgelieferten Berichte von „Mayer“. Sie dokumentieren eine sich über viele Jahre erstreckende Mitarbeit, die mit Auslandsreisen honoriert wurde. Mitunter erhielt er auch Geld.
„Mayer“ veröffentlichte in den 1950-er Jahren seine ersten, dem sozialistischen Realismus verpflichteten literarischen Arbeiten und war später Mitglied des Temeswarer Adam-Müller-Guttenbrunn-Literaturkreises. Er heiratete Ende der 1940-er Jahre eine Temeswarer Dichterin, die aus einer vorangegangenen Ehe eine Tochter und einen Sohn hatte. Der Sohn hatte in Rumänien eine akademische Laufbahn eingeschlagen und war zudem publizistisch und literaturwissenschaftlich tätig. Seine publizistischen Aktivitäten setzte er auch nach seiner Ausreise in die Bundesrepublik, 1983, fort, inklusive in der Landsmannschaftspresse.
Außer einigen eigenhändig geschriebenen Berichten (zum Beispiel den vom 24. Mai 1975 über die Veröffentlichung der Aktionsgruppe in Heft 4/1974 der „Neuen Literatur“, vgl. ACNSAS, I 210845, vol. 2, Bl. 49-52.) lieferte „Mayer“ mündliche Berichte, die von seinem Führungsoffizier, Oberstleutnant Nicolae Pădurariu handschriftlich zusammengefasst wurden.
Ohne direkte denunziatorische Aussagen zu machen, berichtete „Mayer“ am 21. 12. 1977 über eine Lesung von William Totok im Guttenbrunn-Kreis. In seiner wohlwollenden Beschreibung der Zusammenkunft hält er jedoch eine Beobachtung fest, die u.a. nach mehr als einem Jahrzehnt in einem Maßnahmeplan zur Diskreditierung von Totok in der Bundesrepublik Deutschland benutzt wurde. Ohne nähere Angaben zu machen, habe er bei dem Autor einen „nervösen Tick bemerkt“ (vgl. ACNSAS, I 210845, vol. 2, Bl. 176-176v). Diese unscheinbare Kleinigkeit aus dem Bericht von „Mayer“ sollte nach der Ausreise von Totok zu einer psychischen Krankheit aufgebläht werden. In einer am 10. April 1987 verfassten internen „Studie“ (vgl. „Notă de studiu“, ACNSAS, I 210845, vol. 3, Bl. 79-81) wird der Plan gefasst, Totok im Westen als ein „psychisch labiles Element“ darzustellen und zu verunglimpfen, um auf diese Weise seine Kritik am Bukarester Regime zu verharmlosen und herabzuwürdigen. Gleichzeitig sollte er als moralisch verwahrlost präsentiert werden, weil er angeblich die von den AMG-Kreismitgliedern gestiftete Literaturpreissumme unterschlagen habe. (Ausgangspunkt für diese falsche Darstellung der Vorkommnisse war ebenfalls ein Bericht von „Mayer“, vom 21. 6. 1986, ACNSAS, I 210845, vol. 3, Bl. 55.)
Um solche Informationen in der Öffentlichkeit zu verbreiten, hatte die Securitate drei ihrer bewährten, inoffiziellen Mitarbeiter ins Auge gefasst: „Gică“, „Sorin“ und „Mayer“ (vgl. „Notă de studiu“, ACNSAS, I 210845, vol. 3, Bl. 79-81.)
In einer von Major Pele Petru (damals Chef der Temeswarer Filiale der Hauptabteilung 1, Direcţia 1, und zeitweilig Nachfolger des pensionierten Nicolae Pădurariu) und Leutnant Valerică Fulga am 12. 3. 1988 verfassten Mitteilungsanalyse wird „Mayer“ als ein inoffizieller Mitarbeiter beschrieben, der besonders gute Beziehungen zu der Landsmannschaftsführung und zur „Banater Post“ hat. (vgl. „Notă de analiză“, ACNSAS, I 210845, vol. 3, Bl. 87-91.)
Im Auftrag der Securitate sollte nun „Mayer“ die von der Securitate vorbereiteten Gerüchte gezielt weiter verbreiten und an bestimmte Personen weitergeben. Gleichzeitig jedoch hatte er während seiner Auslandsreisen den Auftrag, für die Securitate Informationen zu sammeln.

In dem operativen Vorgang „Cristina“ sind einige relevante Beispiele enthalten, wie die Diskreditierung von Herta Müller durchgeführt werden sollte.
Auch „Mayer“ taucht hier mit seinem 249. Kundschafterbericht auf, den er nach einem Aufenthalt in der Bundesrepublik am 14. September 1989 Leutnant Valerică Fulga aushändigte. Zwei Jahre später übersiedelte "Mayer" in die Bundesrepublik, wo er 1993 starb.


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[22. Januar 1987. Mitteilung des Temeswarer Securitatechefs, Oberst Ion Cristescu und des lokalen Leiters der Abteilung 1/A, Major Radu Tinu an Generalleutnant Aristotel Stamatoiu vom Auslandsgeheimdienst, Militäreinheit - UM 0544, bezüglich der vorgesehenen Diskreditierung von Herta Müller, Richard Wagner und William Totok, deren Ausreise in die Bundesrepubik Anfang 1987 erfolgen sollte.]












Dokument aus dem dem operativen Vorgang "Cristina", ACNSAS, I 233477, vol. 1, ff. 267-269

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[Drohbriefe an Herta Müller]











ACNSAS, I 233477, vol. 1, ff. 270-271


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[3. Juli 1989. Mitteilung des Securitatechefs aus Temeswar, Oberst Traian Sima und des lokalen Leiters der Abteilung 1/A, Oberstleutnant Petru Pele an die Abteilung "D" - Desinformation - über die Durchführung einer Kompromittierungsaktion, in die der rumänische Dichter Damian Ureche, geb. 1935 - gest. 1994, involviert war]

[3 iulie 1989. Raport al IJ Timiş către Serviciul „D” – dezinformare – privind discreditarea unor scriitori din Timişoara, stabiliţi în Berlinul Occidental, folosindu-se în acest scop de ajutorul poetului Damian Ureche, care urmează să adreseze postului de radio Europa liberă şi postului de german de televiziune ARD o scrisoare de compromitere a celor vizaţi, raport semnat de şeful Securităţii din Timiş, col. Traian Sima şi şeful serviciului 1/A, lt. col. Petru Pele]








ACNSAS, I 233477, vol. 1, ff. 417-417v

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[14. September 1989. "Mayer" berichtet nach einer Deutschlandreise über die Landsmannschaft der Banater Schwaben]







ACNSAS, I 233477, vol. 2, ff. 13-13v

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William Totok, „Zăngănitul lanţurilor...” Scriitoarea germană, născută în România, Herta Müller, împlineşte pe 17 august vîrsta de 60 de ani, RFE, 15. 8. 2013.




Aktualisiert - actualizat, 20. 8. 2013, 23:59 h