Bild: Brüder im Geiste und Kollegen im Europäischen Parlament: Corneliu Vadim Tudor und Gigi Becali
Zirkus im Zirkus
Ein Bukarester Gericht setzt das Strafverfahren gegen den Europaabgeordneten Gigi Becali fort und ignoriert dessen parlamentarische Immunität
„Schlagen Sie doch meinen Kopf ab, Herr Richter, denn Sie sind ja unantastbar", geiferte der frischgebackene Euroabgeordnete Gigi Becali am Dienstag in einem Bukarester Gerichtsaal. Der vor Wut schäumende Europapolitiker, protestierte gegen einen Gerichtsbeschluss, aufgrund dessen es ihm untersagt bleibt, Rumänien zu verlassen. Er genieße ab nun Immunität, erklärte Becali, und was sich das Gericht in Bukarest erlaube, sei ein „Zirkus im Zirkus".
Gegen den früheren Schafhirten, der es in der postkommunistischen Nachwendezeit geschafft hat, einen ungeheuren Reichtum anzuhäufen, läuft nämlich ein Strafverfahren wegen Freiheitsberaubung. Becali wird vorgeworfen, statt Anzeige zu erstatten, die Diebe seines Wagens mit Hilfe seiner Leibwächter eigenmächtig festgenommen zu haben. Die unrechtmäßige Freiheitsberaubung erfolgte in der Absicht, die Diebe außergesetzlich zu bestrafen.
Nachdem die Geschichte aufflog, wurde der damals noch Vorsitzende der Christdemokratischen Partei der Jungen Generation (PNG-CD) verhaftet und in ein Untersuchungsgefängnis gebracht. Der Rechtsbruch des rechtspopulistischen Neureichen, der bei den Parlamentswahlen im vergangenen Herbst die 5-Prozent-Hürde verpasste, wurde allerdings in nationalistischen Medien als eine nachahmenswerte Heldentat gefeiert. Als Zeichen der Solidarität bot ihm die rechtsradikale Groß-Rumänienpartei (PRM) einen Spitzenplatz auf der Kandidatenliste für die EU-Wahlen an. Becali nahm dankend an und verzichtete daraufhin nicht nur auf den Vorsitz in der von ihm geschaffenen PNG-CD, sondern trat auch der groß-rumänischen Partei bei.
Wegen guter Führung wurde Becali aus der Untersuchungshaft entlassen. Die Freilassung erfolgte unter strengen Auflagen. Er durfte Bukarest nur mit gerichtlichen Sondergenehmigungen verlassen, um an verschiedenen Wahlkampfveranstaltungen seiner groß-rumänischen Partei teilzunehmen.
Laut den am Mittwoch bekanntgemachten amtlichen Endergebnissen errang die groß-rumänische Partei bei den Wahlen 8,65 Prozent der Stimmen, und kommt somit auf drei Mandate im europäischen Parlament. Am Montag war man von zwei Mandaten ausgegangen, die Becali und dem groß-rumänischen Parteichef und rechtsradikalen Demagogen Corneliu Vadim Tudor im Europaparlament zustehen.
Die beiden Politiker sind jedoch nicht die einzigen „schrägen Vögel", wie sie die rumänische Presse ironisch bezeichnet, die einen Sessel in Brüssel besetzen werden. Zusammen mit ihnen wird auch die von rumänischen Medien als „verzärtelte Prinzissen" verspottete Tochter des Staatspräsidenten, Elena Basescu in das hohe Haus einziehen. Die als unabhängige Kandidaten unter dem Namenskürzel EBA angetretene Tochter von Traian Basescu erhielt 4,22 Prozent der Stimmen. Den überraschenden Erfolg von EBA, die wie ihr Kollege Becali mit der rumänischen Grammatik auf Kriegsfuß steht, ist auf die verdeckte Hilfe der regierenden Liberaldemokratischen Partei (PDL) ihres Vaters zurückzuführen. Die einzelnen Ortsgruppen der PDL, die sich die Korruptionsbekämpfung auf die Fahnen geschrieben hatte, erhielten die Anweisung, je 10 Stimmen für die Präsidententochter abzuzweigen und ihr somit zum Sieg zu verhelfen. Schon am Sonntag Abend erhielt EBA ein funkelnagelneues Parteibuch der PDL und kündigte an, sich im EU-Parlament der Fraktion der Europäischen Volksparteien anschließen zu wollen. Der Fraktion gehört auch die PDL an, die ursprünglich Mitglied der Sozialistischen Internationale war und nach einer ideologischen Pirouette sich in eine christdemokratische Gruppierung verwandelte.
William Totok