Donnerstag, Juni 11, 2009

Brüder im Geiste und Kollegen im Europäischen Parlament


Bild: Brüder im Geiste und Kollegen im Europäischen Parlament: Corneliu Vadim Tudor und Gigi Becali










Zirkus im Zirkus
Ein Bukarester Gericht setzt das Strafverfahren gegen den Europaabgeordneten Gigi Becali fort und ignoriert dessen parlamentarische Immunität


„Schlagen Sie doch meinen Kopf ab, Herr Richter, denn Sie sind ja unantastbar", geiferte der frischgebackene Euroabgeordnete Gigi Becali am Dienstag in einem Bukarester Gerichtsaal. Der vor Wut schäumende Europapolitiker, protestierte gegen einen Gerichtsbeschluss, aufgrund dessen es ihm untersagt bleibt, Rumänien zu verlassen. Er genieße ab nun Immunität, erklärte Becali, und was sich das Gericht in Bukarest erlaube, sei ein „Zirkus im Zirkus".

Gegen den früheren Schafhirten, der es in der postkommunistischen Nachwendezeit geschafft hat, einen ungeheuren Reichtum anzuhäufen, läuft nämlich ein Strafverfahren wegen Freiheitsberaubung. Becali wird vorgeworfen, statt Anzeige zu erstatten, die Diebe seines Wagens mit Hilfe seiner Leibwächter eigenmächtig festgenommen zu haben. Die unrechtmäßige Freiheitsberaubung erfolgte in der Absicht, die Diebe außergesetzlich zu bestrafen.

Nachdem die Geschichte aufflog, wurde der damals noch Vorsitzende der Christdemokratischen Partei der Jungen Generation (PNG-CD) verhaftet und in ein Untersuchungsgefängnis gebracht. Der Rechtsbruch des rechtspopulistischen Neureichen, der bei den Parlamentswahlen im vergangenen Herbst die 5-Prozent-Hürde verpasste, wurde allerdings in nationalistischen Medien als eine nachahmenswerte Heldentat gefeiert. Als Zeichen der Solidarität bot ihm die rechtsradikale Groß-Rumänienpartei (PRM) einen Spitzenplatz auf der Kandidatenliste für die EU-Wahlen an. Becali nahm dankend an und verzichtete daraufhin nicht nur auf den Vorsitz in der von ihm geschaffenen PNG-CD, sondern trat auch der groß-rumänischen Partei bei.

Wegen guter Führung wurde Becali aus der Untersuchungshaft entlassen. Die Freilassung erfolgte unter strengen Auflagen. Er durfte Bukarest nur mit gerichtlichen Sondergenehmigungen verlassen, um an verschiedenen Wahlkampfveranstaltungen seiner groß-rumänischen Partei teilzunehmen.

Laut den am Mittwoch bekanntgemachten amtlichen Endergebnissen errang die groß-rumänische Partei bei den Wahlen 8,65 Prozent der Stimmen, und kommt somit auf drei Mandate im europäischen Parlament. Am Montag war man von zwei Mandaten ausgegangen, die Becali und dem groß-rumänischen Parteichef und rechtsradikalen Demagogen Corneliu Vadim Tudor im Europaparlament zustehen.

Die beiden Politiker sind jedoch nicht die einzigen „schrägen Vögel", wie sie die rumänische Presse ironisch bezeichnet, die einen Sessel in Brüssel besetzen werden. Zusammen mit ihnen wird auch die von rumänischen Medien als „verzärtelte Prinzissen" verspottete Tochter des Staatspräsidenten, Elena Basescu in das hohe Haus einziehen. Die als unabhängige Kandidaten unter dem Namenskürzel EBA angetretene Tochter von Traian Basescu erhielt 4,22 Prozent der Stimmen. Den überraschenden Erfolg von EBA, die wie ihr Kollege Becali mit der rumänischen Grammatik auf Kriegsfuß steht, ist auf die verdeckte Hilfe der regierenden Liberaldemokratischen Partei (PDL) ihres Vaters zurückzuführen. Die einzelnen Ortsgruppen der PDL, die sich die Korruptionsbekämpfung auf die Fahnen geschrieben hatte, erhielten die Anweisung, je 10 Stimmen für die Präsidententochter abzuzweigen und ihr somit zum Sieg zu verhelfen. Schon am Sonntag Abend erhielt EBA ein funkelnagelneues Parteibuch der PDL und kündigte an, sich im EU-Parlament der Fraktion der Europäischen Volksparteien anschließen zu wollen. Der Fraktion gehört auch die PDL an, die ursprünglich Mitglied der Sozialistischen Internationale war und nach einer ideologischen Pirouette sich in eine christdemokratische Gruppierung verwandelte.

William Totok

Dienstag, Juni 09, 2009

EU-Wahl: Schlechte Chancen für eine Fraktion rechtsnationaler Parteien

"Rechtsnationale" legen zu
EU-WAHL Ultrarechte Parteien werden künftig mit mindestens 28 Abgeordneten im EU-Parlament vertreten sein. Doch die Chancen, eine Fraktion zu bilden, stehen schlecht

VON WILLIAM TOTOK

Rechtsextreme Parteien haben bei den Europawahlen teilweise massive Stimmenzuwächse zu verzeichnen. So erreichte die ungarische Partei Jobbik auf Anhieb 14,7 Prozent der Stimmen und stellt drei Abgeordnete. Die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) kam auf 13,1 Prozent der Stimmen. Sie erhält zwei Mandate, genauso wie die Groß-Rumänische Partei (PRM, 7,2 Prozent), die bulgarische Ataka (11,43 Prozent), der belgische Vlaams Belang (10,28 Prozent) und die britische Nationalpartei. Die französische Front Nationale wird drei (6,5 Prozent), die italienische Lega Nord acht (9,5 Prozent) sowie die holländische Partei der Freiheit (17 Prozent) vier Vertreter nach Brüssel schicken.
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Gemeinsam kämen die Ultrarechten im zukünftigen EU-Parlament auf 28 Sitze. Das heißt, sie hätten genügend Mandate, um eine eigene Fraktion ins Leben zu rufen. Einen ersten derartigen Versuch hatte es im Januar 2007 mit der Gründung der Fraktion "Identität, Tradition, Souveränität" (ITS) gegeben. Diese zerbrach jedoch nach nur zehn Monaten an inneren Zwistigkeiten.

Die FPÖ signalisierte im Wahlkampf ihre Bereitschaft, mit der Lega Nord zusammenzuarbeiten. Die Gruppierungen verbindet die Idee, bestimmte regionalistische Bestrebungen zu unterstützen. Gleichzeitig lehnen beide einen "europäischen Superstaat" ab. In der in ihrem politischen Selbstverständnis verdammenswerten multikulturellen Gesellschaft erblicken sie einen "Bruch mit dem für den Menschen lebensnotwendigen Gleichgewicht". Aus diesem Grund lehnen sie prinzipiell den Bau von Moscheen in Westeuropa ab und sind gegen die Gründung islamischer Schulen.

Alle sogenannten rechtsnationalen Parteien sprechen sich für ein hartes Durchgreifen der Polizei gegenüber Kriminalität und illegaler Einwanderung aus. Dabei gibt es in den einzelnen Ländern Akzentverschiebungen, insbesondere wenn es um Immigranten aus muslimischen oder afrikanischen Ländern geht.

In Ungarn, Rumänien und Bulgarien richtet sich der Ruf nach einer gnadenlosen Verbrechensbekämpfung vor allem gegen Roma, die als die Schuldigen für die wachsende Kriminalität gebrandmarkt werden. Die ultrarechten Bulgaren und Rumänen wiederum werden sich kaum mit der holländischen PVV zusammentun, weil Geert Wilders sich seinerzeit gegen einen EU-Beitritt der beiden Balkanländer ausgesprochen hatte.

Aber auch zwischen den großrumänischen und den ungarischen Jobbik-Abgeordneten gibt es nur wenig Gemeinsamkeiten. Die rechtsradikalen Ungarn plädieren für eine weitgehende Autonomie der rumänienungarischen Minderheit, was die Großrumänen als Angriff auf die Existenz des einheitlichen Nationalstaates ansehen.

Eine Überwindung dieser Gegensätze innerhalb des rechtsnationalen Lagers ist kaum abzusehen. Dies dürfte eine Neuauflage einer rechtsradikalen Fraktion verhindern.

aus taz, 9.6. 2009
http://www.taz.de/1/archiv/print-archiv/printressorts/digi-artikel/?ressort=au&dig=2009%2F06%2F09%2Fa0056&cHash=35d0778ac4