Rechtliche Schritte gegen Spitzel?Von Georg Herbstritt
Die Erfahrungen mit der juristischen Aufarbeitung von Stasi-Unrecht in Deutschland
Gelegentlich wird in letzter Zeit die Frage aufgeworfen, ob gegen Securitate-Informanten unter den Rumäniendeutschen nicht auch rechtliche Schritte eingeleitet werden können.
Die Erfahrungen, die man in den vergangenen zwanzig Jahren in Deutschland hinsichtlich der Stasi-Mitarbeiter gemacht hat, legen aber die Antwort nahe, dass rechtliche Schritte kaum ein geeignetes Mittel sind, um die Problematik von Geheimpolizei und Bespitzelung befriedigend aufzuarbeiten.
Das bedeutet, die Auseinandersetzung mit diesem Teil der jüngsten Geschichte muss sich auf andere Aspekte konzentrieren: auf moralische, historische und gewiss auch auf persönliche Aspekte. Und das ist nicht einmal das schlechteste.
Die deutsche Justiz hat in den 1990er Jahren große Anstrengungen unternommen, um Stasi-Unrecht strafrechtlich zu ahnden. Dabei hat sie auch gegen frühere inoffizielle Mitarbeiter (IM) der DDR-Staatssicherheit ermittelt. Hierbei taten sich aber verschiedene Probleme auf. Eines bestand darin, dass die Spitzeltätigkeit an sich keine strafbare Handlung darstellte. Außerdem gab es verschiedene juristische Besonderheiten zu beachten. Alles in allem wurden in den 1990er Jahren nur 42 frühere IM angeklagt, und nur wenige von ihnen wurden am Ende verurteilt. Verurteilt wurden beispielsweise einige wenige Ärzte und Rechtsanwälte, die als IM Informationen über ihre Patienten oder Mandanten an das MfS weitergaben. Sie hatten sich der Verletzung von Privat- und Berufsgeheimnissen strafbar gemacht. Zu einzelnen Verurteilungen kam es auch in solchen Fällen, wo der Verrat von Fluchtvorhaben oder die Denunziation regimekritischer Handlungen zu Inhaftierungen geführt hatte. Nur zwei IM mussten überhaupt eine Haftstrafe antreten: der eine wurde wegen dreifachen Mordversuchs verurteilt, der andere wegen Beihilfe zum versuchten Mord.
Von den hauptamtlichen Stasi-Mitarbeitern wurden in den 1990er Jahren 182 angeklagt, aber auch bei ihnen fällten die Gerichte äußerst milde Urteile. Alles in allem endeten zwei Drittel der Strafverfahren gegen hauptamtliche oder inoffizielle Stasi-Mitarbeiter entweder mit Freispruch oder ohne ein Urteil. Nur ein MfS-Offizier musste eine Haftstrafe antreten, ihm wurde Beihilfe zum Mord im Zusammenhang mit dem Sprengstoffattentat auf das „Maison de France“ in West-Berlin 1983 zur Last gelegt.
(Außerhalb der Betrachtung bleibt hier der Bereich der Spionage: über 360 frühere Bundesbürger, die als „West-IM“ für die DDR-Geheimdienste im Westen spioniert hatten, wurden in den 1990er Jahren zu Geld- oder Haftstrafen verurteilt; rund 60 von ihnen mussten tatsächlich eine Haftstrafe antreten. Die meisten Spionagedelikte verjähren nach fünf Jahren, lediglich der Verrat von Staatsgeheimnissen („Landesverrat“) verjährt erst nach zwanzig Jahren. Folgt man den veröffentlichten Jahresberichten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, so kann man davon ausgehen, dass Rumänien seit Ende der 1990er Jahre nicht mehr nachrichtendienstlich in Deutschland aktiv ist. Denkbare Spionagedelikte sind deshalb größtenteils verjährt.)
Für den Umgang mit dem kommunistischen Erbe Rumäniens dürfte der Rechtsweg in Deutschland weitgehend ausgeschlossen sein. Und selbst wenn sich der Rechtsweg in bestimmten Fällen doch als gangbar erweisen sollte, dürfte er kaum zum erhofften Ziel führen, wie die Erfahrungen mit der juristischen Aufarbeitung der Stasi-Vergangenheit in Deutschland zeigen. Umso wichtiger sind deshalb andere Formen im Umgang mit der jüngsten Geschichte: öffentliche Debatten und persönliche Gespräche zu führen gehören ebenso dazu wie gesicherte historische Erkenntnisse zu erarbeiten.
Literaturhinweise:
Schißau, Roland: Strafverfahren wegen MfS-Unrechts. Die Strafprozesse bundesdeutscher Gerichte gegen ehemalige Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR. Berlin 2006.
Marxen, Klaus; Werle, Gerhard; Schäfter, Petra: Die Strafverfolgung von DDR-Unrecht. Fakten und Zahlen. Berlin 2007 (online abrufbar unter https://www.stiftung-aufarbeitung.de/publikationen/files/strafverfolgung.pdf).