Perspektiven
25 Jahre Halbjahresschrift
Halbjahresschrift für südosteuropäische Geschichte, Literatur und Politik
25. Jahrgang, Nr. 1-2 Herbst 2013ISSN: 0939-3420
Unser letztes Heft
Aus dem Inhalt:
Stefano Bottoni: Zögernde Spione. Die ungarische Staatssicherheit und Rumänien 1975-1989;
Klaus Popa: Karl Kurt Klein, die „Marburger Burse“ und deren Leiter Johann Wilhelm Mannhardt 1922-1939;
Björn Opfer-Klinger: Ein Friede, der keiner war. Der Vertrag von Athen und der griechisch-türkische Gegensatz 1913-1923;
Karl-Heinz Gräfe: Rechtsextreme und faschistische Organisationen der russländischen Emigranten in Deutschland 1920-1941;
Waldemar Schmidt: Die Frage der Russlanddeutschen in der deutschen Presseberichterstattung der Jahre 1929-1935;
Johann Böhm: Die Grundbesitzverteilung der deutschen Bevölkerung in Ungarn, dem serbischen und rumänischen Banat, in Siebenbürgen und Kroatien (Syrmien und Slawonien) Ende 1943;
Johann Böhm: Auszug aus dem Buchmanuskript „Vertriebenen Politiker mit NS-Vergangenheit im Südostdeutschen Kulturwerk München nach 1951 sowie rechtslastige Veröffentlichungen in den Südostdeutschen Vierteljahresblättern“;
Gerhard Velburg: „Rumänische Etappe. Der Weltkrieg, wie ich ihn sah“;
William Totok: Mit tückischer Durchtriebenheit. Durchsetzung der offiziellen Geschichts- und Kulturpolitik im national-kommunistischen Rumänien mit nachrichtendienstlicher Unterstützung;
Georg Herbstritt: Register für die Jahrgänge 20-24 (2008-2012)
25 Jahre Halbjahresschrift
Register für die Jahrgänge 1-25 (1989-2013)
Sonderdruck (8 € zzgl. Porto - Bestellungen hier)
Textprobe 1:
Zögernde Spione. Die ungarische Staatssicherheit und Rumänien 1975–1989
Stefano Bottoni
Bestellungen sind an den AGK-Verlag, Franzstr. 27, D-49413 Dinklage, Tel. 04443/91212, Fax: 04443/91213 oder an jede Buchhandlung zu richten.
„Rumänische Etappe. Der Weltkrieg, wie ich ihn sah“
Gerhard Velburg
Mit tückischer Durchtriebenheit
Durchsetzung der offiziellen Geschichts- und Kulturpolitik im
national-kommunistischen Rumänien mit nachrichtendienstlicher Unterstützung (I)
William Totok
[1] Alfred Gong (geb. 1920 in Czernowitz, Bukowina, Rumänien als Alfred Liquornik; gest. 1981 in New York), wurde während des militär-faschistischen Antonescu-Regimes, 1941 in ein Lager nach Transnistrien deportiert, nach dem Krieg Flucht in den Westen. Verfasser von Gedichten.
[2] Eine selbstgebastelte autobiografische Legende, die Bergel in den letzten Jahren in Umlauf brachte. Eine dieser wundersamen Partisanen-Geschichten veröffentlichte Bergel unter dem Titel, „Die Unbesiegbarkeit des Freiheitsgedankens. Zur Geschichte der Erzählung »Fürst und Lautenschläger«“, in: Hans Bergel, Das Spiel und das Chaos. Essays und Vorträge, Edition Noack & Block in der Frank & Timme GmbH, Berlin 2013, S. 177-195.
[3] Alfred Margul-Sperber (1898-1967), deutsch-jüdischer Dichter aus der Bukowina, 1954 mit dem Staatspreis ausgezeichnet. Margul-Sperber hatte sich 1955 den Anwerbungsversuchen der Securitate erfolgreich widersetzt. Einer seiner Freunde, Alfred Kittner, der in den Akten unter dem Decknamen „Leopold Ludwig“, „Lalu“, „Karol“ und „Karol Andrei“ auftaucht, wurde auf ihn angesetzt. Es gibt keinerlei Berichte von Kittner zu Margul-Sperber, die inkriminierende Äußerungen oder gar Denunziationen enthalten. – Siehe William Totok, „Drama scriitorului Alfred Kittner“ (Das Drama des Schriftstellers Alfred Kittner), Deutsche Welle, 16. Dezember 2010; ders., „Securitatea şi lumea scriitorilor din România“ (Die Securitate und die Welt der Schriftsteller Rumäniens), Radio France Internationale, 28. Februar 2011; ders., „20 de ani de la moartea unui poet bucovinean. Alfred Kittner (n. 24 noiembrie 1906 la Cernăuţi - m. 14 august 1991 Düsseldorf)“, (20 Jahre seit dem Tod eines Dichters aus der Bukowina. Alfred Kittner, geb. 24. November 1906 in Tschernowitz - gest. 14. August 1991 in Düsseldorf), Radio Free Europe, 17. August 2011. Siehe auch das von Oberleutnant der Securitate Nagy Tiberiu verfasste Anwerbungsprotokoll von Kittner vom 20. Dezember 1958 (ACNSAS, R 249557, vol. 1, Bl. 334-337).
[4] Manfred Winkler / Hans Bergel, Wir setzen das Gespräch fort… Briefwechsel eines Juden aus der Bukowina mit einem Deutschen aus Siebenbürgen, herausgegeben und mit einem Nachwort von Renate Windisch-Middendorf, Frank & Timme GmBH, Berlin 2012, S. 175. - Im Anschluss an diesen Absatz folgt ein völlig unerwarteter Wechsel des Themas, um einen Seitenhieb auf Eginald Schlattner in den Brief einzubauen: „Eine Kapazität wie der Germanist, Kunsthistoriker, Musikologe und Literaturkritiker Harald Krasser – Inhaber des Germanistik-Lehrstuhls in Klausenburg, Schüler der Koryphäen Wilhelm Pinder, Friedrich Gundolf, Hans Joachim Moser, ein unbestechlicher Geist – stellte das gelegentlich unumwunden fest. (Krasser wurde von der Securitate 1959 vom selben Mann ans Messer geliefert wie ich.)” – Zu diesem Problemkomplex siehe: William Totok, „Empathie für alle Opfer. Eginald Schlattner, ein Leben in Zeiten diktatorischer Herrschaft“, in: Halbjahresschrift für südosteuropäische Geschichte, Literatur und Politik, 24. Jg., Heft 1-2, 2012, S. 181-198.
[5] Siehe dazu die von "I. Dragomir" an seinen Führungsoffizier Oberstleutnant A. Olimpiu am 11. April 1963 übergebene ausführliche Charakterisierung von Magdalena Stroe (ACNSAS, I 264513, Bl. 80-81). Auf einen Brief an Magdalena Stroe, vom 19. Juli 2013, in der wir sie nach ihrem Verhältnis zu Novac fragten, erhielten wir am 14. September 2013 eine Antwort. Sie erklärte sich bereit, in einem Interview über ihre Erinnerungen an Ana Novac zu erzählen. Eine Anfrage an Lya Benjamin blieb leider bislang unbeantwortet.
[6] „Povestea româncei care și-a salvat prietena de la moarte sigură la Auschwitz” (Die Geschichte der Rumänin, die ihre Freundin vor dem sicheren Tod in Auschwitz gerettet hat), Digi24, 14. April 2012.
[7] Siehe u.a. den am 8. August 1963 von „Kovacs Peter“ verfassten Bericht, den er seinem Führungsoffizier Oberleutnant Florian Oprea in Klausenburg übergeben hat und in dem er auch auf inhaltliche Aspekte des Tagebuches von Ana Novac eingeht (ACNSAS, I 264513, Bl. 42).
[8] Siehe dazu die selbstkritischen Erinnerungen seines Freundes Ion Ianoşi, Internaţionala mea. Cronica unei vieţi, (Meine Internationale. Chronik eines Lebens), Polirom, Iaşi 2012, S. 380-381.
[9] Siehe zum Beispiel ihren Dreiakter „nach einer Idee von Romain Gary“, „Fata din baracă“ (Das Mädchen aus der Baracke), in: Teatrul, 19. Jg., Nr. 2, Februar 1974, S. 75-94.
[10] Ianoşi, a.a.O., S. 381.
Karl Kurt Klein, die „Marburger Burse“ und deren Leiter Johann Wilhelm Mannhardt 1922-1939
Klaus Popa
Karl Kurt Klein (6.5.1897 – 10.01.1971), der einzige Universalgelehrte, den die Deutschen Siebenbürgens in der Zwischenkriegs- und Nachkriegszeit aufzuweisen haben, entfaltete seine komplexe Tätigkeit als Publizist, Herausgeber, Pfarrer, Universitätslehrer und Kulturpolitiker in einer Zeit grundlegender Umwälzungen, die nicht nur das aus der frühen Moderne überkommene, noch tief von spätfeudalen Strukturen und Vorstellungen geprägte, in antagonistischen Blöcken organisierte europäische Staatensystem von Grund auf umkrempelten, sondern auch das Spannungsfeld lieferten für den revisionistisch-revanchistischen Nationalismus der alten imperialen Kernländer Deutschland, Österreich und Ungarn und den „neuen“ Nationalismus der durch den Versailler Vertrag zustande gekommenen mittel-, ost- und südosteuropäischen Staaten. Kleins Persönlichkeit und Tätigkeit war von eben diesen gegensätzlichen Koordinaten geprägt, wobei er seine deutschnational-konservative Ausrichtung, mit Ausnahme einiger, zumindest in der Korrespondenz mit Johann Wilhelm Mannhardt (1883-1969) gefallener antisemitischer Äußerungen, geradlinig bewahrte und grundsätzlich keiner Menschenfeindlichkeit oder nationalsozialistischen Extremismen verfiel. Klein war nämlich immer bereit, die zweite Dimension seiner Persönlichkeit, den intensiven und fruchtbaren Meinungs- und Werteaustausch mit den Nationalkulturen der Rumänen und Ungarn, wirksam werden zu lassen. [...]
Hanuš Kuffners Propagandaschrift ,Náš stát a světový mír‘ (1918) in der völkisch-deutschnationalen Rezeption der 1920er- und 1930er-Jahre (II)
Boris Blahak
Die zweite Phase der reichsdeutschen Rezeption: anti-tschechoslowakische Feindbild-Konstruktion im Rahmen der nationalsozialistischen ,Ostmark-Propaganda‘
Die Grundbesitzverteilung der deutschen Bevölkerung in Ungarn, dem serbischen und rumänischen Banat, in Siebenbürgen und Kroatien (Syrmien, Slawonien) Ende 1943
Johann Böhm
[...] Wie in anderen Ländern, z. B. Rumänien, bildeten sich auch innerhalb der deutschen Minderheit in Jugoslawien 1932 erste Ansätze einer nationalsozialistischen Strömung heraus, die auf einen Kreis junger Akademiker in der „Deutschen Lehrerbildungsanstalt“ von Groß-Betschkereck zurück geht. Zu diesem Kreis gehörten Dr. Sepp Janko, Dr. Adam Krämer und Dr. Josef Trischler. Dieser Kreis, der auch innerhalb des SDKB tätig war und in der Wojwodina die nazistische „Erneuerungsbewegung“ gründeten, übten nach 1933 ein scharfe Kritik an der Führung des Kulturbundes. 1938 kam es dann zum offenen Machtkampf, der dann im Frühjahr 1939 mit Hilfe der „Volksdeutschen Mittelstelle“ (VoMi)b – Himmlers SS-Organisation – in Berlin, zugunsten der NS-Erneuerer um Sepp Janko entschieden wurde. Die NS-Erneuerungsführung mit Sepp Janko an der Spitze übernahm die Grundsätze des nationalsozialistischen „Volksgruppenrechts“ und leitete gemäß den Weisungen aus Berlin die „Gleichschaltung“ der deutschen Organisation in Jugoslawien ein. Nach der Zerschlagung Jugoslawiens im April 1941 entstand für die Deutschen in Jugoslawien eine neue Situation. Die Deutschen in der Batschka und in der Baranja kamen an Ungarn und unterstanden der dortigen NS-Volksgruppenführung des Franz Basch, die Deutschen im serbischen Banat das ebenso wie Serbien von Nazi-Deutschland besetzt wurde, erhielten eine selbständige NS-Organisation unter Sepp Janko. Die deutsche Bevölkerung im „Unabhängigen Staat Kroatien“, der außer Kroatien-Slawonien und Ost-Syrmien auch ganz Bosnien und die Herzegowina umfasste, wurde zu einer eigenen Volksgruppe unter NS-Volksgruppenführer Branimir Altgayer zusammengefasst. Der nördliche Teil Sloweniens fiel an das Deutsche Reich. Die Deutschen im serbischen Banat und im kroatischen Satellitenstaat erlangten während des Krieges eine privilegierte Stellung und bildeten eine Art „Staat im Staate“.
Durch den freiwilligen oder erzwungenen Eintritt der wehrfähigen Männer in die Waffen-SS (SS-Division „Prinz Eugen) und deren Einsatz zur Bekämpfung der Partisanenverbände sowie die bedingungslose Mitwirkung der Volksgruppenorganisation bei der Stärkung der nationalsozialistischen Herrschaft und Kriegswirtschaft, unterstützte die deutsche Bevölkerung – gewollt oder ungewollt – die Unterdrückungsmaschinerie des Hitler-Regimes und seiner Kollaborateure und zog so den Hass der Verfolgten auf sich; die Stunde der Rache der Tito-Partisanen folgte dann Ende 1944 und Anfang 1945. [...]
Die Frage der Russlanddeutschen in der deutschen Presseberichterstattung der Jahre 1929-1935
Waldemar Schmidt
Textprobe 8:
Rechtsextreme und faschistische Organisationen der russländischen Emigration in Deutschland (1920-1941)
Karl-Heinz Gräfe
Textprobe 9:
„Vertriebene Politiker mit NS-Vergangenheit im Südostdeutschen Kulturwerk München nach 1951 sowie rechtslastige Veröffentlichungen in den Südostdeutschen Vierteljahresblättern“
Johann Böhm
(Auszug aus dem Buchmanuskript)[...] Aus einem Schreiben des Literaten und späteren Mitherausgebers und Autors der Südostdeutschen Vierteljahresblätter Heinrich Zillich an Will Vesper geht hervor , wie man sich entlastende Gutachten verschaffen konnte. Wegen seines Führergedichtes „Den Deutschen von Gott gesandt“ erhielt Zillich die Anklage der Spruchkammer, in der man ihm mitteilte, dass man ihn wegen seines „späten Parteieintritts“ bloß als „Mitläufer“ einstufen würde. Da er aber ein Gedicht „zur Verherrlichung Hitlers geschrieben habe“, würde man seine „Einstufung in die zweite Klasse der Entnazifizierung“ fordern . Im gleichen Schreiben bat Zillich Vesper, ihm einen unbelasteten Literaturhistoriker zu nennen, den er um ein literarisches Urteil über sein Führergedicht bitten könnte. Ob Zillich ein derartiges Urteil erhielt, konnte nicht ermittelt werden. [...]
Vertriebenenpolitiker mit NS-Vergangenheit im Südostdeutschen Kulturwerk
Prof. Dr. Friedrich Valjavec
Friedrich Valjavec wurde am 26. Mai 1909 in Wien als Sohn eines österreichischen Beamten in Agram (Zagreb) geboren und starb am 10. Februar 1960 in Prien am Chiemsee. Er wuchs in Werschetz (Banater Kleinstadt) auf. Ab 1919 lebte er in Budapest und absolvierte hier 1930 die Reichsdeutsche Oberrealschule. In dieser Zeit knüpfte er Kontakte zu den führenden Politikern der Deutschen in Ungarn, Jakob Bleyer und Edmund Steinacker. 1930 zog seine Familie nach Wien und im November des gleichen Jahres treffen wir ihn als Student in München an, wo er an der Universität Geschichte studierte und 1934 bei Prof. Karl Alexander von Müller promovierte. Seit 1932 war Valjavec Mitarbeiter des im Jahre 1930 gegründeten Südost-Instituts. Nach der Promotion wurde er hauptamtlicher wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut. Während seines Universitätsstudiums spezialisierte er sich auf Geschichte und Landeskunde Südost-europas. 1935 erhielt er von der Deutschen Forschungsgemeinschaft ein Stipendium, um die Geschichte der Deutschen im Südosten von 1780 bis 1918 zu entwerfen und wurde damit Mitarbeiter des Südost-Instituts. 1938 ernannte man Valjavec zum Geschäftsführer des Südost-Instituts in München und 1943 zum stellvertretenden Leiter. Bis 1941 war er jugoslawischer Staatsangehöriger , am 10. Juni 1941 erhielt er die deutsche Staatsbürgerschaft.
Die Aufgaben des Südost-Instituts waren neben der Betreuung der deutschen Volksgruppen in Südosteuropa auch die historisch-geographische Erforschung dieses Raums. Eine wichtige Rolle spielte dabei die seit 1936 herausgegebene Zeitschrift des Instituts Südostdeutsche Forschungen, die 1940 in Südostforschungen umbenannt wurde. Besonders wichtig ist hier der Standpunkt Valjavecs, der der Meinung war, in der Zeitschrift müsse man die Wechselwirkung zwischen der geistigen und wirtschaftlichen Überlegenheit der deutschen Siedler in diesem Raum und des sie umgebenden Volks- und Kulturbodens besonders hervorheben, um so die Aufbausendungen der deutschen Siedlungen im Südosten zu verdeutlichen. Interessant ist die Bemerkung Fahlbuschs zu Valjavecs Promotionsarbeit Der deutsche Kultureinfluss im nahen Südosten (Bd. 1, München 1940), der er „diskursive Überinterpretation“ anlastet. Die südostdeutsche Forschungsgemeinschaft von Fritz Valjavec betreibe aus tiefster Überzeugung „Volkstumsforschung“, die sich durch „das Gleichsetzen massenhaften individuellen Handelns“ auszeichne, „was sowohl bei den Darstellungen der Ansiedlungsphase als auch bis in die Gegenwart hinein deutlich“ werde. „Den Einwanderern wurde nicht nur durch die leidvollen Pionierleistungen eine Art höherwertige Einheit bescheinigt, sie erfüllten darüber hinaus auch eine kulturhistorische Mission, die Fritz Valjavec direkt mit der Allegorie des ‚Volks- und Kulturbodens‘ definierte: ‚Aus menschenleerem, verödetem und versumpftem Gebiete schuf deutscher Hände Fleiß einen blühenden Kulturboden, der für die übrigen Gebiete beispielgebend war‘. Und ‚entsprechend seiner natürlichen Überlegenheit‘ wurde das ‚deutsche Element [...] für die umwohnende Bevölkerung Lehrmeister in wirtschaftlicher und kultureller Hinsicht.“ Mit Recht meint Fahlbusch, dass hier „eine diskursive Überinterpretation“ Valjavecs vorliege, „dessen nationalistische Konstruktionen unmittelbar mit seinen eigenen Wertvorstellungen gekoppelt“ seien. Daraus ergibt sich für Valjavec die Schlussfolgerung, dass man sich um diese zur deutschen Volksgemeinschaft zählenden Südostdeutschen kümmern, sie finanziell und ideologisch unterstützen müsse und ihnen einen besonderen Volksgruppen-Status in den Wohnstaaten einräumen müsse. [...]
Textprobe 10:
Ein Friede, der keiner war. Der Vertrag von Athen und der griechisch-türkische Gegensatz 1913-1923
Björn Opfer-Klinger
[...] Auch die griechischsprachigen, orthodoxen Eliten im Osmanischen Reich sahen sich bis Anfang des 20. Jahrhunderts in erster Linie als hellenische Untertanen des osmanischen Sultans. Mit der einfachen Vorstellung vieler griechischer Nationalisten, alle orthodoxen Christen im ägäischen Raum seien Teil einer imaginären griechischen Nation, konnten sie wenig anfangen. Das lag nicht zuletzt daran, dass der oligarchische, wirtschaftlich instabile griechische Staat wenig Anziehungskraft ausübte. Stattdessen zählten viele griechisch-orthodoxe Händler und Unternehmer zu den Gewinnern der sich verändernden wirtschaftlichen Verhältnisse im Osmanischen Reich. Sie kontrollierten zumeist den osmanischen Außenhandel im östlichen Mittelmeer, im Schwarzen Meer und auf der Donau. Die wachsende Präsenz ausländischer Gesellschaften und Konzerne aus den westeuropäischen Industriestaaten eröffnete vielen hellenischen Geschäftsleuten eine lukrative Zusammenarbeit als Subunternehmer, Bankiers oder Zulieferer für Exportprodukte. Auf diese Weise etablierte sich im Osmanischen Reich ein selbstbewusstes hellenisches Bürgertum. Dieses stellte die osmanische Herrschaft ebensowenig in Frage wie die vielen islamisierten Hellenen auf den ägäischen Inseln, die dort wiederum oft die gesellschaftliche Oberschicht bildeten. Größere Anziehungskraft entwickelte der griechische Nationalismus erst Ende des 19. Jahrhunderts unter den Verlierern der wirtschaftlichen Krise des Osmanischen Reiches in Makedonien, Thrakien und Kleinasien. [...]