Nachrichtendienstliche Aufgaben für „Heine“ und „Sanda“
Im Frühjahr 1975 war die Securitate fest entschlossen, die Aktionsgruppe zu zerschlagen.
Der im Studentenkulturhaus funktionierende Universitas-Literaturkreis, der eigentlich der Kreis der Aktionsgruppe war, sollte allerdings nicht verschwinden. Die Leitung des Kreises sollte durch eine der Securitate ergebene Person übernommen werden. Diese Person sollte dem Kreis „eine neue, patriotische Ausrichtung“ geben. Der Wunschkandidat der Geheimpolizei für die Durchsetzung dieses Anliegens war „Heine“, der sich den Securitateplänen gegenüber entgegenkommend zeigte und auch geneigt war, die geheimpolizeilichen Anleitungen umzusetzen.
„Heine“ hatte zudem im Schuljahr 1975-1976 die Aufgabe erhalten, sich um die deutsche Studententheatergruppe aus Temeswar zu kümmern, die zu jenem Zeitpunkt ebenfalls ins Fadenkreuz der Securitate geraten war. (Vgl. Bericht von "Heine" vom 4.12.1975, ACNSAS, I 210845, vol. 2, Bl. 47-74v; ebenda, Bericht vom 14.7. 1976, Bl. 92-92v.)
Im Herbst 1975 sollte ich eine Textmontage für die Studententheatergruppe verfassen. „Heine“ erhält den Auftrag, den Text zu beschaffen und zu interpretieren (siehe die handschriftlichen Anmerkungen von Major Köpe und Oberstleutnant Pădurariu am Schluss des Berichts von „Heine“, vom 18.10.1975, ACNSAS, I 210845, vol. 2, Bl. 60-60v).
Die Textmontage „Und der Mond scheint seit `ner Weile“ wurde übrigens anlässlich der Hausdurchsuchung, die während der ersten Untersuchungshaft im Oktober 1975 stattgefunden hatte, beschlagnahmt. Bei dieser Gelegenheit wurden außerdem noch folgende Materialien von den Securitateoffizieren mitgenommen: ein Arbeitsheft mit Gedichten; ein Prosamanuskript, betitelt „Das Nasobem im Banat“; mehrere Exemplare der als pornografisch bezeichneten Zeitschriften Pardon, Spontan und Der Spiegel; Briefe, Notizen, Merkzettel und andere Schriftstücke sowie die Zeitschrift Neue Literatur, Nr. 7/1975, in der mehrere meiner Gedichte veröffentlicht waren sowie der Essay von Anton Sterbling „aktionsgruppe - oder ähnlich so“. (Vgl., Die Zwänge der Erinnerung, S. 95.)
Am 16. Oktober 1975 berichtet „Heine“ der Securitate über die Gerüchte, die innerhalb der Studentenschaft über unsere Verhaftung (d.h. über Gerhard Ortinau, Richard Wagner, Gerhardt Csejka und mich) zirkulierten. (ACNSAS, I 210845, vol. 2, Bl. 64-64v).Zusammen mit „Sanda“ (einer 2012 verstorbenen Dozentin der Temeswarer Germanistikfakultät) soll „Heine“ die „Gerüchte“, wir seien unschuldig verhaftet worden, in den Gesprächen mit diversen Personen entkräften und die Festnahme als eine gesetzlich begründete Maßnahme darstellen. In mehreren Berichten schildern „Sanda“ und „Heine“ im Herbst 1975 die Stimmung unter den Studenten und den Professoren der Temeswarer Universität, die mit zunehmender Furcht und großer Bestürzung auf die Verhaftungen reagierten. Die Securitate setzte mit Hilfe ihrer inoffiziellen Mitarbeiter falsche Gerüchte in Umlauf, um die festgenommenen Personen zu diskreditieren. (Vgl. u.a. die drei Berichte von "Sanda" vom 24.11.1975, ebenda, Bl. 71-71v, 72-72v, 73-73v.)
Ähnliches geschah bereits im Sommer 1975, nach der Verhaftung meines Bruders. Der spätere postkommunistische Oligarch Ovidiu Tender spielte dabei eine besondere Rolle.
[24 septembrie 1975. Colaboratorul „Heine” - candidatul Securităţii pentru preluarea conducerii cenaclului „Universitas”, al Grupului de Acţiune, şi persoana aleasă pentru îndreptarea „patriotică” a echipei germane de teatru a studenţilor, din cadrul Universităţii din Timişoara, relatează despre un montaj literar, care se află în curs de pregătire pentru echipa de teatru studenţesc ]
"Sanda", 24. November 1975