Dienstag, Juni 09, 2009

EU-Wahl: Schlechte Chancen für eine Fraktion rechtsnationaler Parteien

"Rechtsnationale" legen zu
EU-WAHL Ultrarechte Parteien werden künftig mit mindestens 28 Abgeordneten im EU-Parlament vertreten sein. Doch die Chancen, eine Fraktion zu bilden, stehen schlecht

VON WILLIAM TOTOK

Rechtsextreme Parteien haben bei den Europawahlen teilweise massive Stimmenzuwächse zu verzeichnen. So erreichte die ungarische Partei Jobbik auf Anhieb 14,7 Prozent der Stimmen und stellt drei Abgeordnete. Die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) kam auf 13,1 Prozent der Stimmen. Sie erhält zwei Mandate, genauso wie die Groß-Rumänische Partei (PRM, 7,2 Prozent), die bulgarische Ataka (11,43 Prozent), der belgische Vlaams Belang (10,28 Prozent) und die britische Nationalpartei. Die französische Front Nationale wird drei (6,5 Prozent), die italienische Lega Nord acht (9,5 Prozent) sowie die holländische Partei der Freiheit (17 Prozent) vier Vertreter nach Brüssel schicken.
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Gemeinsam kämen die Ultrarechten im zukünftigen EU-Parlament auf 28 Sitze. Das heißt, sie hätten genügend Mandate, um eine eigene Fraktion ins Leben zu rufen. Einen ersten derartigen Versuch hatte es im Januar 2007 mit der Gründung der Fraktion "Identität, Tradition, Souveränität" (ITS) gegeben. Diese zerbrach jedoch nach nur zehn Monaten an inneren Zwistigkeiten.

Die FPÖ signalisierte im Wahlkampf ihre Bereitschaft, mit der Lega Nord zusammenzuarbeiten. Die Gruppierungen verbindet die Idee, bestimmte regionalistische Bestrebungen zu unterstützen. Gleichzeitig lehnen beide einen "europäischen Superstaat" ab. In der in ihrem politischen Selbstverständnis verdammenswerten multikulturellen Gesellschaft erblicken sie einen "Bruch mit dem für den Menschen lebensnotwendigen Gleichgewicht". Aus diesem Grund lehnen sie prinzipiell den Bau von Moscheen in Westeuropa ab und sind gegen die Gründung islamischer Schulen.

Alle sogenannten rechtsnationalen Parteien sprechen sich für ein hartes Durchgreifen der Polizei gegenüber Kriminalität und illegaler Einwanderung aus. Dabei gibt es in den einzelnen Ländern Akzentverschiebungen, insbesondere wenn es um Immigranten aus muslimischen oder afrikanischen Ländern geht.

In Ungarn, Rumänien und Bulgarien richtet sich der Ruf nach einer gnadenlosen Verbrechensbekämpfung vor allem gegen Roma, die als die Schuldigen für die wachsende Kriminalität gebrandmarkt werden. Die ultrarechten Bulgaren und Rumänen wiederum werden sich kaum mit der holländischen PVV zusammentun, weil Geert Wilders sich seinerzeit gegen einen EU-Beitritt der beiden Balkanländer ausgesprochen hatte.

Aber auch zwischen den großrumänischen und den ungarischen Jobbik-Abgeordneten gibt es nur wenig Gemeinsamkeiten. Die rechtsradikalen Ungarn plädieren für eine weitgehende Autonomie der rumänienungarischen Minderheit, was die Großrumänen als Angriff auf die Existenz des einheitlichen Nationalstaates ansehen.

Eine Überwindung dieser Gegensätze innerhalb des rechtsnationalen Lagers ist kaum abzusehen. Dies dürfte eine Neuauflage einer rechtsradikalen Fraktion verhindern.

aus taz, 9.6. 2009
http://www.taz.de/1/archiv/print-archiv/printressorts/digi-artikel/?ressort=au&dig=2009%2F06%2F09%2Fa0056&cHash=35d0778ac4



Samstag, Juni 06, 2009

EU-Wahl - Chancen für Extremisten


Gute Chancen für Ultrarechte
EU-WAHL Umfrage zufolge dürften mehrere rechtsextreme Parteien in das Brüsseler Parlament einziehen. Die Bildung einer eigenen Fraktion könnte aber erneut scheitern
VON WILLIAM TOTOK
Glaubt man den Prognosen, dann werden am kommenden Sonntag erneut mehrere rechtsradikale Parteien ins Europäische Parlament einziehen. Schaffen mindestens 20 ultrarechte Kandidaten aus fünf EU-Ländern den Sprung in die europäische Legislative, können sie dort eine eigene Fraktion bilden. Das wäre dann das zweite Mal in der Geschichte des EU-Parlaments.
Nach dem EU-Beitritt der beiden Balkanstaaten Rumänien und Bulgarien am 1. Januar 2007 erhielten die bereits im Europäischen Parlament vertretenen ultrarechten Parteien einen unerwarteten Zuwachs. Unter dem französischen Politiker und Vize-Vorsitzenden des Front National, Bruno Gollnisch, bildeten Vertreter dieser Parteien eine eigene Gruppe, die unter dem Namen "Identität, Tradition, Souveränität" (ITS) für politisches Unbehagen sorgte. Die aus belgischen, bulgarischen, französischen, britischen, italienischen, österreichischen und rumänischen Abgeordneten zusammengesetzte ITS-Gruppe brach jedoch wegen eines unüberbrückbaren Streits zwischen Italienern und Rumänen bereits nach nur wenigen Monaten im November 2007 auseinander.
Zu den aussichtsreichsten Parteien, die sich in ihren Herkunftsländern dank ihres national-populistischen und stellenweise aggressiv fremdenfeindlichen Wahlkampfgetöses eines beträchtlichen Zuspruchs erfreuen, gehören auch diesmal die Rechtsaußenkandidaten aus den fünf Ländern, die bereits vor zwei Jahren die erwähnte Fraktion bildeten. Allen voran die französische Nationale Front, der belgische Vlaams Belang, die italienische Lega Nord, die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ), die Groß-Rumänien-Partei und die bulgarische Ataka
Den Sprung ins EU-Parlament schaffen könnten auch das von der FPÖ abgespaltene BZÖ (Bündnis Zukunft Österreich) und die Jobbik aus Ungarn, eine Rassistenpartei, die über einen paramilitärischen Arm - die Ungarische Garde - verfügt.
Die seit Jahren insbesondere von der französischen Nationalen Front eines Jean-Marie Le Pen und der Groß-Rumänien-Partei (PMR) angestrebte Gründung einer "Internationale" der nationalistischen Rechtsgruppierungen scheiterte an weltanschaulichen Zwistigkeiten. Aber auch an der Kollision nationaler Interessen, die insbesondere die Annäherung dieser Parteien in Nachbarländern verhinderten, beispielsweise wegen historisch begründeter Gebietsansprüche. Dieser Zustand spiegelte sich auch in der europäischen ITS-Fraktion wider, die an ihren eigenen inneren Widersprüchen zerbrach.
FPÖ-Spitzenkandidat Andreas Mölzer kündigte an, mit der italienischen Lega Nord zu kooperieren. Der rumänische Chef der rechtsradikalen Groß-Rumänien-Partei Corneliu Vadim Tudor und sein orthodox-fundamentalistisches Zugpferd Gigi Becali sprachen sich demgegenüber gegen eine Neuauflage der ITS-Gruppe aus. Sie plädierten für die Gründung einer neuen Fraktion, der nur jene Gruppierungen angehören sollen, die nach den Wahlen erstmals im Europäischen Parlament vertreten sein werden.
Die ungarische Jobbik-Kandidatin Krisztina Morvai schloss wiederum eine Zusammenarbeit mit den Groß-Rumänen kategorisch aus, weil deren Ideologie vornehmlich auf ressentimentgeladener antiungarischer Stimmungsmache fußt. Ihr Augenmerk richtet sich eher auf gemäßigtere euroskeptische Parteien, die eventuell im zukünftigen EU-Parlament vertreten sein werden.
All diese ultrarechten Parteien eint ihr Euroskeptizismus gegenüber der EU. Dies ist jedoch eine zu schmale Basis für die Bildung einer lebensfähigen Fraktion. Daran wird sich im Wesentlichen auch nach den EU-Wahlen nicht viel ändern.
Rechte im EU-Parlament
Die Rechtsaußenfraktion "Identität, Tradition, Souveränität" (ITS), die von Januar bis November 2007 existierte und vom französischen Politiker und Vize-Vorsitzenden des Front National, Bruno Gollnisch, angeführt wurde, setzte sich aus 23 Abgeordneten zusammen: drei vom belgischen Vlaams Belang, drei von der bulgarischen Partei Ataka, sieben vom Front National aus Frankreich, je ein Abgeordneter aus Großbritannien (unabhängig) und Österreich (Freiheitliche, FPÖ), zwei Vertreter aus Italien (Alternativa Sociale und Flamma Tricolore) sowie sechs rumänische Abgeordnete (Groß-Rumänien-Partei sowie ein Unabhängiger).
aus taz: 5.6. 2009